Wie gelingt es, der Ressourcenknappheit im Bauwesen zu begegnen und zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft zu gelangen?

Erneuerbare Materialien

Autorin: Sigune Meister

Wie gelingt es, der Ressourcenknappheit im Bauwesen zu begegnen und zu einer vollständigen Kreislaufwirtschaft zu gelangen? Unsere gebaute Umwelt sozial, ökonomisch und ökologisch gerecht zu gestalten, ist eine große gesellschaftliche Verantwortung für alle Planerinnen und Planer. Daher widmen sich internationale Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis diesen wichtigen Fragen. Der Einsatz von erneuerbaren Materialien liefert hier erfolgsversprechende Lösungsansätze.

Als Architektin und Fachlektorin identifiziert Sigune Meister aktuelle Themen mit hoher Relevanz für das Bauwesen. Sie initiiert und realisiert unterschiedliche Wissenstransferformate, um das Fachwissen an die Fachwelt weiterzugeben, um Antworten auf die brennenden Fragen im Bauwesen zu liefern. Gemeinsam mit renommierten Expertinnen und Experten konzipiert und entwickelt sie u.a. Fachbuchpublikationen zu zukunftsweisenden Bauthemen und fördert damit die Verbreitung der Erkenntnisse und die Transformation der Baubranche.  

Bereits vor etlichen Jahren hat sie die große Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für das Bauen erkannt und gemeinsam mit Professor Dirk E. Hebel und seinem Team aus dem KIT zwei Fachbuchpublikationen zum kreislaufgerechten Bauen entwickelt. Das aktuelle Werk »Vom Bauen mit erneuerbaren Materialien« richtet seinen Fokus auf das Bauen mit biobasierten Materialien.    

Anhand von drei Fragen möchten wir Ihnen einen kurzen Einblick in dieses Themenfeld geben:

Wie begründet sich die hohe Relevanz von erneuerbaren Materialien?

Die Hälfte des gesamten Primärrohstoffverbrauchs geht auf den Bausektor zurück. Die Vorkommen natürlicher Ressourcen sind endlich, sie werden bald nicht mehr technisch, ökologisch und ökonomisch sinnvoll vertretbar zur Verfügung stehen.  Um der Ressourcenknappheit im Bauwesen zu begegnen, ist eine kreislaufgerechte Bauweise und der Einsatz alternativer Baumaterialien unumgänglich.

Die CO2-Bilanz biobasierter Bauprodukte ist weitaus besser als die mineralischer oder erdölbasierter Produkte. Zudem können biologische Baumaterialien große Mengen an CO2 in unserer gebauten Umwelt speichern und wirken damit positiv auf das Klima ein. Am Ende ihres Lebenszyklus können sie kompostiert und wieder vollständig in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden und tragen somit auch zur Reduzierung des Müllaufkommens bei.

Die hohe Relevanz von erneuerbaren Materialien spiegelt auch ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein der Bauwirtschaft hinsichtlich drängender Fragen zur Zukunftsfähigkeit des Bauens wider.

Welche Innovationen und neuen Entwicklungen entstehen aktuell in der Forschung (zu erneuerbaren Materialien)?

Derzeit ist Holz sicherlich einer der wichtigsten erneuerbaren Rohstoffe im Bausektor. Doch Holz alleine kann den Bedarf nicht decken. Hierzu laufen aktuell viele Forschungsprojekte, aus denen bereits wegweisende Entwicklungen und Innovationen hervorgingen. So wurden z.B. neuartige, durch Pilzgeflecht gebundene Verbundwerkstoffe entwickelt, die sich als Wärmedämmmaterialien oder auch für konstruktive Anwendungen eignen.

Auch technisch optimierte Produkte aus Bambus, einem hochleistungsstarken Material mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften, weisen ein großes Anwendungspotenzial auf. Mithilfe neuer Technologien und der industriellen Verarbeitung des Materials entstehen Bambusverbundwerkstoffe, die als Alternativen zu Holzprodukten, als Bewehrung für konstruktive Betonelemente oder auch für strukturelle Anwendungen zum Einsatz kommen können.

Die Anwendung digitaler Fertigungsmethoden eröffnet ungeahnte Möglichkeiten und stellt vielversprechende Lösungen für den Einsatz erneuerbarer Baumaterialien dar. Durch verschiedene Herstellungstechniken, wie zum Beispiel Weben, Wickeln oder Flechten, können aus Naturfasern wie Jute, Flachs oder Hanf hochleistungsfähige naturfaserverstärkte polymere Verbundwerkstoffe produziert und z.B. als Platten oder maßgeschneiderte Profile eingebaut werden.

Das sind nur einige Beispiele für neue Materialentwicklungen und Anwendungen aus der Forschung. Eine Lösung der Ressourcenkrise liegt in der Vielfalt der Baumaterialien.

Welches Pilotprojekt zeigt besonders deutlich die Potenziale von erneuerbaren Materialien im Kontext des kreislaufgerechten Bauens?

Ein Pilotprojekt, an dem die kompromisslose Realisierbarkeit des kreislaufgerechten Bauens und der Verwendung erneuerbarer Materialien sowohl in der Konstruktion als auch im Ausbau demonstriert wird, ist RoofKIT, das Siegerprojekt des Solar Decathlon Europe 21/22. Das Team vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die Aufstockung eines zweigeschossigen Gründerzeitgebäudes entworfen, geplant und gebaut und damit die Zukunftsfähigkeit und die besondere Ästhetik von kreislaufgerechten, wiederverwendeten und erneuerbaren Materialien gezeigt. Das Bauwerk wurde als vorgefertigte Holzmodulkonstruktion konzipiert, die durch ihren hohen Anteil an nachwachsenden Baumaterialien als Kohlenstoffspeicher fungiert. Als natürlicher Dämmstoff kamen getrocknete Seegrasfasern zum Einsatz. Die Innenwände wurden mit Wollfilz-Matten aus Schafwolle oder mit Lehmputz verkleidet. Die konsequente Ausführung in kreislaufgerechter Bauweise und die Verwendung erneuerbarer Materialien ist beispielhaft und hat entscheidend zum ersten Preis bei diesem internationalen Bauwettbewerb beigetragen. So kann und muss das Bauen der Zukunft aussehen!
 

Das Fraunhofer IRB bringt Fachwissen und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Baupraxis und Anwendung. Es entwickelt unterschiedliche Formate, Produkte und Anwendungen und ermöglicht dadurch einen zielgruppengerechten Wissenstransfer.

 

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