Ein Schlüssel zur nachhaltigen Gebäudesanierung
Bauteilaktivierung – Gebäudehüllen nutzen
Autorin: Julia Ehl
Der Gebäudesektor steht vor enormen Herausforderungen: Während die Klimaziele eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen erfordern, müssen gleichzeitig Millionen von Wohngebäuden in Deutschland energetisch saniert werden. Doch herkömmliche Sanierungsansätze stoßen oft an ihre Grenzen – sei es durch hohe Kosten, komplexe Umsetzung oder mangelnde Akzeptanz bei Bewohnern und Handwerksbetrieben.
Eine vielversprechende Lösung bietet die Bauteilaktivierung, eine innovative Methode zur energetischen Sanierung, die im Forschungsprojekt »EffTecSo-modIn« erfolgreich erprobt wurde. Im folgenden Interview erläutert Julia Ehl vom Fraunhofer IRB, wie die Bauteilaktivierung funktioniert, was sie von herkömmlichen Ansätzen unterscheidet und welche Rolle sie bei der dringend benötigten Transformation der Baubranche spielen kann.
Als Bauingenieurin und Fachlektorin beschäftigt sie sich seit vielen Jahren mit modernen Ansätzen zur Weiterentwicklung des Bauwesens. Sie setzt verschiedene Formate für den Wissenstransfer ein, um ihre Erkenntnisse in der Fachwelt zu verbreiten. In Zusammenarbeit mit angesehenen Expertinnen und Experten erstellt und entwickelt sie unter anderem Fachbuchpublikationen zu zukunftsorientierten Bauthemen, wodurch sie die Verbreitung von Wissen und die Transformation der Baubranche vorantreibt.
Anhand von drei Fragen möchten wir Ihnen einen kurzen Einblick in dieses Themenfeld geben:
Was ist Bauteilaktivierung zur kosteneffizienten Sanierung von Wohngebäuden und welche Probleme löst dies?
Die Bauteilaktivierung ist eine Methode zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden, bei der die thermische Masse der Gebäudehülle zur Temperaturregulierung genutzt wird. Durch die Integration von Heiz- oder Kühlsystemen in Wände, Decken oder Böden wird eine effiziente Wärmeversorgung gewährleistet. Diese Technik löst mehrere Probleme gleichzeitig. Sie reduziert den Energieverbrauch durch Nutzung von Niedertemperaturquellen und ist damit sehr gut für den Einsatz von regenerativen Energien geeignet. Zusätzlich verbessern die Heiz- und Kühlsysteme den Wohnkomfort, denn durch eine gleichmäßige Temperaturverteilung wird die Behaglichkeit sowohl im Winter als auch im Sommer erhöht. Die gleichmäßige Temperaturverteilung beugt darüber hinaus Schimmelbildung vor, ein häufiges Problem in dicht gebauten Gebäuden.
Interessant ist auch die Möglichkeit, Sanierungen von Mehrfamilienhäusern modular durchführen zu können. Wohnungen können nach und nach je nach Belegung saniert werden. Am Beispiel eines Wohnblocks der Postbaugenossenschaft München und Oberbayern eG konnte dies im Forschungsprojekt »EffTecSo-modIn« erprobt und wissenschaftlich begleitet werden.
Was ist an diesem Ansatz besonders innovativ? Und wie sieht es mit der Umsetzbarkeit des Ansatzes aus?
Die Bauteilaktivierung zeichnet sich durch Flexibilität und Effizienz aus. Im Gegensatz zu traditionellen Heizsystemen nutzt die Bauteilaktivierung niedrigere Temperaturen, was eine Kombination mit erneuerbaren Energien erleichtert.
Im Forschungsprojekt »EffTecSo-modIn« wurde zudem auf die starke Partizipation der Mieterinnen und Mieter wert gelegt. Nur wenn dort eine hohe Akzeptanz besteht, kann das Sanierungsprojekte erfolgreich sein. Die Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner in den Planungsprozess ermöglicht es, deren Bedürfnisse und Bedenken zu berücksichtigen, was nachweislich die Nutzerzufriedenheit erhöht.
Inwiefern fördert die Bauteilaktivierung die Transformation der Baubranche?
Die Bauteilaktivierung fördert die Transformation der Baubranche, indem sie nachhaltige und ressourcenschonende Ansätze in die Praxis integriert, aber gleichzeitig einfach in der Umsetzung ist. Die ausführenden Handwerksbetriebe müssen keine neuen Techniken erlernen. Die Verlegung des Heiz- und Kühlsystems in den Wänden, Decken und Böden erfolgt wie eine Fußbodenheizung, die schon seit Jahren erprobt ist. Es sind also keine intensiven Schulungen einer neuen Technologie erforderlich oder gar Vorbehalte gegenüber einer unbekannten Innovation auszuräumen. Jeder Fachinstallateur für Sanitär und Heizung kann die Sanierung durchführen. Die Reduzierung von CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Umstellung der Heizung auf erneuerbare Energien und die Optimierung des Energieverbrauchs durch den Anstieg der Behaglichkeit sind ein wichtiger Beitrag des Bauwesens auf dem Weg zur CO2-Neutralität, die wir dringend brauchen.
Die Methode ist sowohl für historische als auch für moderne Gebäude geeignet. Beim Forschungsprojekts »EffTecSo-modIn« wurde ermittelt, dass sich alleine in Deutschland über 3 Mio. Wohngebäude befinden, die entsprechend ihrer Typologie und den bauphysikalischen Eigenschaften für die Sanierung mit Bauteilaktivierung eignen. Das CO2-Einsparpotenzial ist also sehr groß.
Weitere Informationen finden Sie in dem Fachbuch » Bauteilaktivierung – Gebäudehüllen nutzen«.
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